Zyklusbewusst arbeiten: Chancen erkennen

Weißt du, was zyklusbewusstes Arbeiten bedeutet oder hast schon mal davon gehört? Interessiert es dich, wie Unternehmen von einer zyklusbewussten Arbeitsweise profitieren? Oder wie du deine Bedürfnisse und Stärken während des Menstruationszyklus nicht nur privat, sondern auch am Arbeitsplatz für dich und dein Team nutzen kannst?

Zyklusbewusstes Arbeiten ist ein Konzept, das die individuellen Bedürfnisse und Stärken menstruierender Menschen im Arbeitsalltag berücksichtigt. Es zielt darauf ab, die verschiedenen Phasen des Zyklus und ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit sowie das Wohlbefinden zu verstehen, indem jede menstruierende Person sich selbst beobachtet und kennenlernt. Auf diese Weise kann sie ihre Bedürfnisse am Arbeitsplatz kommunizieren und ihre Stärken einbringen. Außerdem können z.B. die Arbeitsbedingungen und -anforderungen entsprechend angepasst werden. Dieser Ansatz ist demnach sehr innovativ und nutzt die Potenziale des Zyklus für die Arbeitswelt.

Dieser Beitrag gibt dir einen Überblick über die Gründe und Vorteile, warum auch du von Zyklusbewusstsein in deinem Arbeitsalltag profitieren kannst – unabhängig von deinem Geschlecht, Menstruationsstatus und auch deiner Position, sei es Führungskraft oder Mitarbeiter:in.

Hinweis: Viel zu oft wird die Menstruation nur mit Mädchen und Frauen verbunden. Doch nicht alle Frauen menstruieren und nicht alle, die menstruieren, identifizieren sich als Frauen. Auch Trans-, non-binäre oder geschlechtsneutrale Personen können monatlich bluten. In diesem Beitrag wird deshalb der Begriff menstruierende Menschen oder menstruierende Personen verwendet. Damit sind Frauen und weitere Gruppen mit Menstruationserfahrungen gemeint. Grundsätzlich richtet sich dieser Beitrag explizit an alle Personen, unabhängig davon, ob sie menstruieren oder nicht.

Vorteile für dein Unternehmen erkennen

Obwohl die Nachfrage nach zyklusfreundlichen Arbeitsbedingungen stetig steigt, bieten bisher nur wenige Unternehmen solche Maßnahmen an. Möchtest auch du die Arbeit für dich und dein Team zyklusbewusster gestalten? Dann liefern dir die folgenden Punkte erste grundlegende Informationen, wie eine Umsetzung deinem Unternehmen helfen kann.

Diversität & Inklusion stärken: Ist dir eigentlich bewusst, dass der Menstruationszyklus immer noch mit vielen Vorurteilen belegt ist und vor allem im Arbeitskontext noch häufig tabuisiert wird? Als Unternehmensleitung ist es für dich wichtig zu verstehen, dass diese Stigmatisierung negative gesundheitliche Konsequenzen für deine Mitarbeitenden hat, z.B. wenn sie trotz starker Beschwerden zur Arbeit kommen, weil sie befürchten, sonst als schwach und weniger leistungsfähig wahrgenommen zu werden. Erkenne deswegen den Menstruationszyklus als eine natürliche Realität an und trage damit zu einem offenen und sensiblen Umgang in deinem Unternehmen bei. Auf diese Weise würdigst du die Vielfalt und Individualität jedes bzw. jeder Einzelnen und bietest jedem Menschen einen Platz im Unternehmen.

Hinweis: Schau dir den Beitrag speziell für Führungskräfte an, um konkrete Beispiele für eine sensible Kommunikation zu erhalten. Wenn du außerdem noch mehr zu Diskriminierung und Vorurteilen rund um die Menstruation (Menstruationsshaming) erfahren möchtest, lies dir gerne die zugehörigen Beiträge hier in der Mediathek durch.

Fehlzeiten & Krankheitstage senken: Wusstest du, dass Zyklusbewusstsein bei der Arbeit auf lange Sicht hilft, Fehlzeiten und Krankheitstage zu senken, die aufgrund des Zyklus entstehen? Durch die Umsetzung zyklusbewusster Maßnahmen bestärkst du deine Mitarbeitenden, im Sinne ihres Wohlbefindens zu handeln. Beachte dabei, dass Betroffene an manchen Tagen, z.B. bei stark einschränkenden Beschwerden, davon profitieren, von zu Hause zu arbeiten, sich häufiger Pausen zu nehmen oder krankzumelden. Ermutige dein Team dazu, diese Möglichkeiten zu nutzen, und vermeide so, dass sie als Folge von zusätzlichem Stress oder Überbelastung langfristig krank werden und bei der Arbeit ausfallen.
Attraktivität des Unternehmens steigern: Als Unternehmensleitung signalisierst du durch die Umsetzung einer zyklusbewussteren Arbeitsweise deinen Mitarbeitenden, dass du ihre Bedürfnisse ernst nimmst und Wert auf eine gesunde sowie wertschätzende Arbeitskultur legst. Auf diese Weise wirst du ein attraktiverer Arbeitgeber, gewinnst qualifizierte Fachkräfte und bindest bestehende Mitarbeitende an dein Unternehmen.
Teamkultur verbessern: Sorge als Unternehmen dafür, dass deine Mitarbeitenden lernen, ihre eigenen Stärken und Bedürfnisse besser kennenzulernen und auf sie einzugehen – unabhängig davon, ob die Person menstruiert oder nicht. Dadurch erlangen sie ein besseres Verständnis für sich selbst, für menstruierende Menschen im privaten, aber auch im beruflichen Umfeld. Somit stärkst du durch Zyklusbewusstsein die Kommunikation und Zusammenarbeit im Team.

Hinweis: Behalte im Hinterkopf, dass das Zyklusempfinden für jede menstruierende Person ganz individuell ist, d. h. die Stärken und Bedürfnisse können für jede Person anders aussehen und in ihrer Ausprägung variieren. Aus diesem Grund gibt es keine einheitliche Lösung für alle. Dennoch ist es wichtig, dass menstruierende Menschen sich mit ihrem persönlichen Zyklus auseinandersetzen. Falls du damit gleich starten möchtest, findest du dazu einige passende Beiträge hier in der Mediathek.

Vorteile für Mitarbeitende verstehen

Zyklusbewusstes Arbeiten bringt eine Reihe weiterer Vorteile für Mitarbeitende mit sich. Das wird im folgenden Beispiel veranschaulicht:

Lou hat während der Menstruation einschränkende starke Schmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. In dieser Phase des Zyklus kann Lou besser Aufgaben erledigen, die keine hohe Konzentration erfordern. Außerdem hilft Lou Ruhe bei der Arbeit, um das eigene Stresslevel gering zu halten. Anstatt sich durch die Beschwerden zu quälen, spricht Lou offen mit der Führungskraft über die Situation. Die Führungskraft ist verständnisvoll und unterstützt Lou dabei, die Arbeit an die Zyklusphasen anzupassen: Aufgaben mit geringerer Priorität übernehmen, mehrere kurze Pausen nehmen, bei Bedarf im Homeoffice arbeiten und zusätzliche Unterstützung von Kolleg:innen erhalten. In den Phasen mit viel Energie (in der Follikelphase und rund um den Eisprung) übernimmt Lou hingegen gerne anspruchsvollere Aufgaben, stößt z.B. neue Projekte an, trifft Entscheidungen, übernimmt die Führung bei Präsentationen sowie im Kundenkontakt und unterstützt Kolleg:innen, die in der Zeit über weniger Energie verfügen.

Selbstkenntnis & Eigenverantwortung fördern

Wenn du dich bewusst mit deinen eigenen Energieschwankungen bzw. deinem Menstruationszyklus auseinandersetzt, verbesserst du deine Selbstkenntnis und schaffst einen liebevolleren Umgang mit dir und deinem Körper. Mit diesem Bewusstsein trägst du außerdem zu einer verbesserten Selbstführung und -organisation bei, weil du dadurch lernst, deine Arbeitsweise nachhaltiger zu gestalten.

Lou hat durch ein verstärktes Zyklusbewusstsein herausgefunden, an welchen Tagen z.B. das Bedürfnis nach Rückzug und Pausen aufkommt und welche Tage gut für Aufgaben sind, die viel Konzentration, Motivation und Flexibilität erfordern. Mit diesem Wissen fällt es Lou leichter, die Aufgaben vorausschauend zu planen, sodass sowohl Lous Wohlbefinden als auch die Produktivität steigt.

Stress reduzieren & mentale Gesundheit stärken

Durch die Wahrnehmung deiner zyklischen Veränderungen erkennst du deine Grenzen sowie Bedürfnisse leichter und kannst in deinem stressigen Arbeitsalltag so noch besser auf sie eingehen. Auf diese Weise stärkst du deine Gesundheit und Resilienz, wodurch du dich vor stressbedingten Krankheiten (z.B. Burnout) schützt. Außerdem steigerst du damit deine Freude an der Arbeit. Scheue dich daher nicht, dich bei Bedarf (z.B. bei einschränkenden zyklusbedingten Beschwerden) krankzumelden. Denn wenn du zyklusbewusst arbeitest, sorgst du langfristig für eine Reduktion deiner Krankheitstage.

Lou fühlt sich durch die Anpassung der Aufgaben an die Zyklusphasen ausgeglichener, zuversichtlicher und geht lösungsorientiert an Herausforderungen heran. Weiterhin erlebt Lou weniger stressbedingte Symptome wie Verdauungsprobleme und Schlafstörungen. Lou schätzt es sehr, sich bei starken Beschwerden zu Hause erholen zu können und sich nicht mehr länger zur Arbeit quälen zu müssen. Dadurch hat Lou insgesamt weniger Fehlzeiten.

Wertschätzung & Zufriedenheit im Team steigern

Wenn du als Mitarbeiter:in offen, tolerant und vertrauensvoll mit den Bedürfnissen deiner Kolleg:innen umgehst, förderst du eure Zusammenarbeit und euer gegenseitiges Verständnis. Dadurch trägst du aktiv dazu bei, dass sich deine Kolleg:innen wertgeschätzt und motivierter fühlen.

Auch fühlt sich Lou durch eine wertschätzende Teamkultur durch Kolleg:innen und die Führungskraft als Mensch mit allen Bedürfnissen und Fähigkeiten bei der Arbeit wahrgenommen. Deswegen empfindet Lou die Zusammenarbeit im Team als angenehm, ist zufriedener und motivierter in Bezug auf die Arbeit. Lou ist dankbar für die unterstützende Arbeitsumgebung, in der sich die Teammitglieder gegenseitig bei Aufgaben entlasten.

Produktivität & Arbeitseffizienz erhöhen

Wenn du in einem Team oder Unternehmen arbeitest, das Wert auf Zyklusbewusstsein legt, profitiert nicht nur eure Gesundheit und Zusammenarbeit davon, sondern ihr erledigt eure Arbeit effizienter. Folgende zwei Unternehmen setzen zyklusfreundliche Maßnahmen bereits um:

Das Unternehmen Your Super bietet seinen menstruierenden Mitarbeitenden seit 2021 sogenannte Moon Days bzw. Menstruationsurlaub an. Betroffene Personen können sich somit einen Tag im Monat aufgrund ihres Menstruationszyklus freinehmen. Diese Option wurde von der Belegschaft positiv aufgenommen und wird von einigen Menstruierenden genutzt.
Auch SAP setzt sich für einen offenen Umgang mit der Menstruation ein. Es stellt Mitarbeitenden Hygieneartikel zur Verfügung und verfolgt aktiv das Ziel, Tabus rund um die Menstruation zu brechen und den Alltag seiner Mitarbeitenden zu erleichtern. Von den zyklusfreundlichen Maßnahmen profitieren alle Beschäftigten.

Teile diese Beispiele gerne mit deinen Kolleg:innen oder deiner Führungskraft und überlegt gemeinsam, welche Maßnahmen ihr umsetzen könnt.

Lou kann durch die Arbeit mit zyklischen Veränderungen die Arbeitszeit effizienter nutzen und Aufgaben vorausschauend an die jeweilige Phase des Menstruationszyklus bzw. an das individuelle Energielevel anpassen.

In diesem Beitrag hast du einen Überblick erhalten, welche Vorteile eine zyklusbewusste Arbeitsweise sowohl für Unternehmen als auch Mitarbeitende mit sich bringt. Falls du dich nun tiefergehend mit der Umsetzung zyklusfreundlicher Arbeit beschäftigen möchtest, bieten dir die weiteren Beiträge in der Mediathek konkrete Empfehlungen für Führungskräfte und Mitarbeitende sowie Lösungsansätze für mögliche Herausforderungen. Falls dich deine Menstruation im Allgemeinen oder auch im Arbeitskontext belastet, kannst du dich jederzeit an die hier angegebenen psychologischen Ansprechpersonen wenden.