Auf sich radikalisierende Mitarbeitende reagieren

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Hast du den Verdacht, dass sich eines deiner Teammitglieder (zunehmend) radikalisiert? Oder bist du dir unsicher, ob und wie du ein Gespräch mit der Person aufsuchen solltest? Anzeichen für eine Radikalisierung sind vielfältig und nicht immer leicht von außen erkennbar. Sie reichen beispielsweise vom Verbreiten von Feindbildern und Verschwörungsnarrativen, einem ausgeprägten Schwarz-Weiß-Denken über den Aufbau eines neues sozialen Umfeldes bis hin zu anderen plötzlichen Verhaltensänderungen. Gleichermaßen bringen unterschiedliche Härtegrade und Arten der Radikalisierung ebenso verschiedene mögliche Gefahrenpotenziale mit sich. Aus diesem Grund erfährst du in diesem Beitrag, welche Vorbereitungen du für ein solches Gespräch treffen solltest, wer dich darin unterstützen und wie ein konstruktiver Gesprächsverlauf aussehen kann.
Hinweis: Sollte eine akute Bedrohung von der Person für dich oder Andere ausgehen, so ist immer direkt der Notruf zu wählen! Handle in einem solchen Szenario nicht allein, sondern involviere unbedingt Dritte, wie im Folgenden beschrieben.

Situation einschätzen

Bevor du dich an eine konkrete Planung für ein Gespräch machst, ist es zunächst sinnvoll, die allgemeine Situation einzuschätzen und – falls notwendig – dritte Personen zu involvieren. So kannst du im Zweifelsfall die beste Entscheidung treffen, ob ein Gespräch zu zweit überhaupt ein geeigneter nächster Schritt ist. Denn je nach Fortschritt der Radikalisierung bzw. Härte des Verdachts kannst du entweder direkt selbst das Gespräch suchen oder dich mit der Unternehmenssicherheit beraten bzw. an die Polizei wenden. Auch externe Angebote können dir bei der Einordnung der Situation und dem weiteren Vorgehen helfen. Hierzu gehören beispielsweise auf Radikalisierung spezialisierte (regionale) Beratungsstellen.

Gespräch vorbereiten

Wenn du die Situation – gegebenenfalls mitmilfe von Dritten – eingeschätzt hast und dich für ein Gespräch mit der Person entscheidest, kannst du nun mit der Vorbereitung beginnen. Hierzu ist es empfehlenswert, dass du ausreichend Zeit für den Termin einplanst, die entsprechende Person rechtzeitig über den Termin informierst und für eine ungestörte Gesprächsatmosphäre sorgst. Vermeide daher am besten mögliche Störungsquellen wie z.B. klingelnde Telefone oder hereinplatzende Kolleg:innen.
Des Weiteren ist es wichtig, dass du dich auf die Inhalte und deine Kommunikationsweise während des Gesprächs vorbereitest. Hierbei können dir u. a. die folgenden Hinweise helfen:
  • Überlege dir konkret, was das Ziel des Gesprächs ist. Dein Ziel könnte z.B. sein, Hilfe anzubieten oder einen Veränderungswunsch auszusprechen. Mache dir jedoch stets bewusst, dass es nicht deine Aufgabe ist, die Einstellung der Person grundlegend zu verändern.
  • Verzichte darauf, das Wort Radikalisierung sowie verwandte Begriffe (wie z.B. Extremismus) zu verwenden, solange du nicht ganz genau weißt, worum es sich tatsächlich handelt.
  • Trage alle von dir beobachteten oder belegten Auffälligkeiten im Arbeits- und Sozialverhalten sowie im äußeren Erscheinungsbild der Person zusammen. Versuche, möglichst konkrete Beispiele und Situationen zu benennen und die Situation so vollständig wie möglich zu beleuchten.
  • Vermeide während des gesamten Gesprächs, deinem Gegenüber Vorwürfe zu machen oder ihn bzw. ihr von deiner persönlichen Einstellung überzeugen zu wollen. Nutze stattdessen Ich-Botschaften wie z.B. „Mir ist wichtig, dass ..." oder "Ich mache mir Sorgen … “.
  • Bleibe während des gesamten Gesprächs sachlich und neutral. Versuche dabei, zwischen den Zeilen zu lesen und achte darauf, die Gesprächsführung zu behalten, um dich nicht in Diskussionen verwickeln zu lassen.
Hinweis: Mache dir bereits im Voraus bewusst, dass diese Art von Gespräch der Person womöglich unangenehm ist und ihre Reaktion sehr individuell und unvorhersehbar ausfallen kann. Beispielsweise könnte sie abstreitend, verharmlosend oder gar drohend reagieren. Genauso ist es möglich, dass sie auf vermeintliche oder echte Einsicht stößt. Vielleicht stellt sich auch heraus, dass deine Sorge unbegründet war.

Gespräch einleiten

Beginne das Gespräch, indem du die andere Person über den angesetzten Zeitrahmen und deine Gesprächsziele informierst. Es kann hilfreich sein, bereits vorab einige Sätze vorzubereiten, die den Einstieg in das Gespräch erleichtern und deine Kernaussagen zusammenfassen. Zum Beispiel kannst du sagen:
  • „Ich habe das Gespräch mit dir aufgesucht, weil ich dich verändert erlebe. Ich möchte dir an ein paar Beispielen zeigen, was mir aufgefallen ist, und ich würde gern besser verstehen, was passiert ist und ob ich dich in irgendeiner Weise unterstützen kann."
  • „Ich arbeite wirklich gern mit dir und ich wünsche mir, dass das so bleibt. Bisher konnten wir einander immer die Wahrheit sagen und waren füreinander da. Ich habe das Gefühl, dass du dich in der letzten Zeit sehr isoliert hast und ich kaum noch an dich herankomme. Ich mache mir Sorgen, weil es in letzter Zeit häufiger Konflikte im Team gab. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun kann. Ich möchte dir helfen und will, dass wir wieder gut zusammenarbeiten. Ich würde gerne von dir wissen, wie du das wahrnimmst?”

Gespräch abschließen

Je nachdem, welchen Ausgang das Gespräch genommen hat, ist es hilfreich, die Reaktion deines Gegenübers vorerst zu akzeptieren. In jedem Fall kannst du der anderen Person zum Schluss Folgendes mitgeben, um deine Wertschätzung und deine Unterstützung zu signalisieren:
  • Betone, dass du unabhängig vom Gesprächsausgang immer für die Person da bist, wenn sie jemanden zum Reden braucht.
  • Weise auf die vorhandenen internen und externen Hilfsangebote hin, die es (für Betroffene) gibt. Idealerweise hast du im Voraus Zeit, ein paar konkrete Anlaufstellen herauszusuchen, die du deinem Gegenüber mitgeben kannst.
  • Biete der Person an, sie dabei zu unterstützen, einen Termin mit einer geeigneten Vertrauensperson zu vereinbaren, wenn sie das möchte.
Hinweis: Wenn das Gespräch nicht erfolgreich war oder sich dein Verdacht dadurch erhärtet hat, dann wende dich an die oben genannten Anlaufstellen in deiner Organisation, ziehe eine externe professionelle Beratung hinzu oder wende dich bei extremem Verdacht auch an die Sicherheitsbehörden (z.B. Polizei).

Nun weißt du, was du beachten solltest, wenn du ein Gespräch mit einer Person führst, bei der du den Verdacht einer Radikalisierung hegst. Solltest du dir vor diesem Gespräch Unterstützung für dich wünschen, so stehen dir die hier angegebenen (psychologischen) Ansprechpersonen selbstverständlich – auf Wunsch auch anonym – zur Verfügung.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
Universität Stuttgart

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