Wiedereingliederungen meistern: Noras Erfahrungsbericht

Interview
Fragst du dich, was für einen erfolgreichen Wiedereingliederungsprozess nach einer längeren Krankheitsphase besonders wichtig ist? Möchtest du wissen, welche Herausforderungen dabei auftreten und was Arbeitgeber sowie Führungskräfte tun können, um Betroffene bestmöglich zu unterstützen? In diesem Interview teilt Nora Urbanski ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag nach einer schweren Depression. Sie erzählt, was für sie hilfreich war und an welchen Stellen sie sich mehr Verständnis und Perspektive gewünscht hätte.

Liebe Nora, warum sprechen wir heute mit dir zum Thema Wiedereingliederung am Arbeitsplatz?

Ich habe eine Phase gehabt mit einer sehr schweren akuten Depression und das Ganze hat gut eineinhalb Jahre gedauert, bis ich mich davon so weit erholt habe, dass ich das Gefühl hatte, ich kann wieder anfangen zu arbeiten. Und mein Ziel war immer auch wieder Vollzeit zu arbeiten, aber natürlich ist das nach einer so langen Phase dann gut, wenn man schrittweise wieder anfangen kann.

Wie sah der Wiedereingliederungsprozess für dich konkret aus?

Ich hatte ein, zwei Vorabgespräche mit einer Personalerin aus dem Unternehmen und meiner Vorgesetzten. Wir haben uns dann auf einen Wiedereingliederungsplan geeinigt. Also, da ging es primär dann darum, wie viele Stunden ich machen sollte. Das hat dann einige Wochen gedauert. Das war so weit auch vollkommen okay für mich. Ich habe dann am Anfang auch sehr viel von zu Hause aus gearbeitet, weil ich mich nicht so komplett überfordern wollte. Ich bin irgendwann wieder ein bisschen mehr ins Büro gegangen. Also, rein von diesen äußeren Umgebungen, sage ich mal, von dem Setting war mein Arbeitgeber dann sehr flexibel.

Und wieso war der Wiedereingliederungsprozess – so wie du ihn erlebt hast – trotzdem keine positive Erfahrung für dich?

Ja, das hatte mehrere Gründe. Um es zusammenzufassen, lag es daran, dass ich mich nicht wirklich als Individuum gesehen gefühlt habe. Mein Bedürfnis bei der Wiedereingliederung war ja wirklich einfach relativ schnell wieder ans Arbeiten zu kommen, weil ich keinen Burnout hatte. Die Arbeit war für mich immer eine Ressource. Ich habe super gerne gearbeitet. Ich hatte ein tolles Team und alles. Und ich war nach meiner Genesung eigentlich eher so drauf: „Boah, jetzt bin ich wieder hier. Ich habe Bock, ich will wieder loslegen!" Und von Unternehmerseite aus war das aber eher so ein „Okay, wir sind erstmal ganz vorsichtig" und ich habe mich so ein bisschen in Watte gepackt gefühlt, was überhaupt nicht meinem Bedürfnis entsprochen hat. Die Situation war insgesamt auch ein bisschen kompliziert, weil als ich weg war, ich eine neue Vorgesetzte bekommen habe. Die alte hat das Unternehmen verlassen und das heißt, diese Vorgesetzte kannte mich natürlich auch nicht, beziehungsweise hatte halt dann nur dieses Bild von mir als die Kranke, die jetzt wiederkommt. Das ist leider halt nicht unbedingt von Vorteil und ich hatte auch echt das Gefühl, dass ich dieses Stigma, von wegen jetzt “die psychisch Kranke” zu sein – bei der man ganz doll aufpassen muss, sonst wird die sofort wieder krank – dass ich das nicht loswerde. Und das hat mich wirklich sehr, sehr geärgert und frustriert. Hinzu kommt dann, dass ich im Unternehmen einfach keine Perspektive mehr bekommen habe. Ich habe halt viele Gespräche gesucht und gesagt: „Hey, okay, ich bin halt wieder da. Ich bin wieder da! Und ich weiß, es gibt genug Arbeit und hier sind Themen, die mich interessieren und das und das würde ich gerne machen". Und ich wurde immer eher ein bisschen vertröstet und man hat gesagt: „Ja, dann gucken wir dann in ein paar Monaten nochmal". Und ich habe mich unglaublich gelangweilt auf der Arbeit. Also ich war wirklich total unterfordert. Und das hat dann dafür gesorgt, dass ich da recht schnell gemerkt habe: „Ne, ich bleibe hier nicht mehr. Ich fühle mich hier nicht wohl. Ich fühle mich nicht gewertschätzt und ich sehe keine Perspektive". Und dann habe ich das Unternehmen eben auch relativ schnell nach ein paar Monaten verlassen.

Was hat dir das Gefühl gegeben, „abgestempelt" worden zu sein?

Es hatte viel damit zu tun, dass ich eben ja auch so Entwicklungsgespräche, sage ich mal, eingefordert gehabt habe. Also, vielleicht auch zum Kontext: Bevor ich krank geworden bin, hatte ich eine Führungsposition inne und die wurde natürlich neu besetzt. Das fand ich auch total verständlich, weil niemand wusste: Komme ich wieder? Wann komme ich wieder? Und trotzdem war das für mich so: „Okay, ich habe schon gezeigt, dass ich das kann und es kann jetzt auch keine Überraschung für euch sein, dass ich da wieder hin möchte". Und habe dann eben eine Perspektive eingefordert. Habe gesagt: „Okay, es muss jetzt keine Führungsperson sein, aber ich sehe Themen im Unternehmen, die ich angehen könnte". Und dieses in Watte gepackt zu werden, das hat sich dann sehr ... das Gefühl hat sich sehr dadurch ergeben, dass ich, wie gesagt, immer so vertröstet wurde. Also: „Ja, wir sprechen dann nochmal und dann gucken wir dann nochmal und dann hast du in einem halben Jahr dann eine Review und dann schauen wir mal, wie es weitergeht". Und das hat sich für mich sehr danach angefühlt: „Wir vertrauen dir gerade auch nicht, dass du nicht wieder krank wirst", so in dem Sinne. Das war so ein Punkt. Ein anderer Punkt, der mich sehr gestört hat, war die Art und Weise, wie meine neue Vorgesetzte mit der Situation umgegangen ist. Sie hat von sich immer sehr viel behauptet, sie hätte sehr viel Verständnis für alles und sie wolle mich unterstützen, aber ich habe mich nicht wirklich ... ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mir so richtig zuhört. Ich habe auch mal das Angebot gemacht, weil sie selber auch noch sehr jung war, zu sagen: „Hey, ich weiß, das ist für dich jetzt auch das erste Mal, dass du überhaupt eine Person hast, die wieder eine Eingliederung macht und psychische Erkrankung und so weiter – schwieriges Thema, aber ich habe kein Problem damit, ein bisschen offener zu sprechen und so". Und das wurde aber von ihr abgeblockt, von wegen „Ne ne, es ist ja alles gut" und „Ich weiß schon, was ich hier tue". Also, ja, das war schwierig.

War diese Erfahrung letztlich der Grund für deinen Jobwechsel?

Ja, also auf jeden Fall. Also natürlich, durch meine längere Abwesenheit hatte ich schon nicht mehr so die starke Bindung zum Unternehmen. Es hat sich in der Zeit auch viel verändert und so weiter. Aber ich denke, ich bin mir ziemlich sicher, wenn ich eine gute Perspektive bekommen hätte und mit meiner Vorgesetzten besser klargekommen wäre, dann wäre ich sicherlich auch noch da geblieben. Also ja, definitiv, das hat einen großen Einfluss gehabt.

Was würdest du anderen empfehlen, damit die Wiedereingliederung besser läuft?

Was ich unglaublich wichtig finde, ist, sich das Individuum eben anzugucken und zu schauen, aus welchen Gründen passiert jetzt eine Wiedereingliederung. Natürlich ist das ein bisschen tricky, weil man natürlich keine medizinischen Fragen stellen darf und sollte, logischerweise, aber dass man zumindest den Mitarbeitenden dann vertraut, wenn sie sagen: „Hey, ich fühle mich bereit, wieder mehr zu arbeiten oder auch mehr Verantwortung zu übernehmen". Und wenn dann noch gesagt wird: „Hey, mir würde das jetzt guttun, das zu tun", dass man da auch unterstützend tätig ist und einen Kompromiss findet zwischen den Bedürfnissen des Mitarbeitenden und des Unternehmens. Das ist so die eine Sache, also wirklich zu gucken oder zu verstehen, dass nicht jede Wiedereingliederung heißt, dass die Person jetzt für immer nicht ordentlich arbeiten kann, jetzt mal blöd gesagt, aber so kam es mir halt ein bisschen vor. Und das andere ist eben wirklich, diesem Thema eine Perspektive zu geben, und zwar über die Wiedereingliederungsphase hinaus, weil da geht es ja ganz viel auch darum, sich körperlich und psychisch wieder daran zu gewöhnen, 40 Stunden zu machen, früher aufzustehen, mit vielen Menschen zu arbeiten, solche Sachen. Da geht es ja dann ganz viel auch darum. Sondern, was passiert denn danach? Meine Position, die ich hatte, war so nicht mehr da. Aber welche anderen Perspektiven gibt es denn? Und das ist dann eben auch ein großer Punkt von Wertschätzung für denjenigen, zu sehen: „Hey, schön, dass du wieder im Unternehmen bist. Schön, dass du wieder da bist. Wir freuen uns, dass du wieder gesund bist. Wir feiern das mit dir und jetzt gucken wir gemeinsam in die Zukunft". Das ist eben ein ganz anderes Gefühl, als „Oh, du bist wieder da. Wir wissen nicht so richtig, was wir mit dir anfangen sollen". Das Gefühl hatte ich eben eher.

Was möchtest du Führungskräften und Arbeitgebern abschließend gerne mitgeben?

Ich denke, vor allem einfach ganz ehrlich das Gespräch zu suchen. Es sind ja erwachsene Menschen, die miteinander reden und ich finde, man kann dann auch ehrlich zusammen sagen: „Okay, das und das hat sich halt jetzt geändert in der Zeit, in der du weg warst, aber wir wissen das und das kannst du gut und jetzt überlegen wir zusammen, wie es weitergehen kann". Einfach Fragen zu stellen, was die Person jetzt braucht, auch anzuerkennen, dass sich das vielleicht auch mal ändern kann noch ein bisschen in dieser Eingliederungszeit. Und ich finde es halt auch wichtig, gerade vielleicht auch als junge Führungskraft, zu sagen: „Ich bin mir gerade selber nicht sicher, wie wir jetzt am besten vorangehen und lass uns das doch hier gemeinsam planen, um eben sicherzustellen, dass das Ganze dann am Ende Erfolg hat". Ja, also ich denke, vor allem einfach ehrliche, offene Gespräche suchen. Ich finde, das ist einfach ganz essenziell.

In diesem Interview hast du Einblicke in Noras Erfahrungen mit dem Wiedereingliederungsprozess nach einer schweren Depression erhalten. Wenn du selbst vor einer ähnlichen Herausforderung stehst oder eine Person im Wiedereingliederungsprozess begleiten möchtest, findest du in unserer Mediathek hierzu weitere hilfreiche Inhalte. Außerdem kannst du dich bei Bedarf jederzeit an die hier hinterlegten psychologischen Ansprechpersonen wenden und Unterstützung finden.

Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
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