Zyklusbewusst arbeiten: Tipps für Führungskräfte

Beitrag
Fragst du dich, wie du als Führungskraft mehr Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse und Stärken deiner menstruierenden Mitarbeitenden nehmen kannst? Zyklusbewusstes Arbeiten ist ein innovativer Ansatz, der sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Es geht darum zu verstehen, wie der Menstruationszyklus die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden deiner Mitarbeitenden beeinflusst. Dafür beobachtet jede menstruierende Person sich selbst, lernt sich so kennen und kann dann ihre Bedürfnisse am Arbeitsplatz kommunizieren und ihre Stärken einbringen. Als Führungskraft kannst du deine Mitarbeitenden darin unterstützen, indem du eine psychologisch sichere Arbeitskultur schaffst und z.B. gemeinsam mit deinen Teammitgliedern ihre Arbeitsbedingungen und -anforderungen so anpasst, dass sie den Bedürfnissen und Stärken ihrer Zyklusphasen entsprechen.
Beachte dabei, dass jede Person eine individuelle Menstruationserfahrung hat. Das bedeutet, dass die Qualitäten und Bedürfnisse, die der Zyklus hervorbringt, bei jedem menstruierenden Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Deshalb gibt es nicht die eine Lösung für alle. Für dich als Führungskraft ist es daher wichtig, die individuellen Bedürfnisse deiner Mitarbeitenden mit den Anforderungen deines Unternehmens zu vereinbaren.
In diesem Beitrag erfährst du, wie du dich als Führungskraft mit zyklusbewusster Arbeit vertraut machst, wie du eine offene und sensible Kommunikation in deinem Team ermöglichst und mit welchen Maßnahmen du mehr Zyklusbewusstsein in deinem Unternehmen etablieren kannst.
Hinweis: Viel zu oft wird die Menstruation nur mit Mädchen und Frauen verbunden. Doch nicht alle Frauen menstruieren und nicht alle, die menstruieren, identifizieren sich als Frauen. Auch Trans-, non-binäre oder geschlechtsneutrale Personen können monatlich bluten. In diesem Beitrag wird deshalb der Begriff menstruierende Menschen oder menstruierende Personen verwendet. Damit sind Frauen und weitere Gruppen mit Menstruationserfahrungen gemeint. Grundsätzlich richtet sich dieser Beitrag explizit an alle Personen, unabhängig davon, ob sie menstruieren oder nicht.

Mit dem Thema vertraut machen

Wenn du dein Team mit der Umsetzung einer zyklusbewussten Arbeitsweise stärken möchtest, ist es hilfreich, dich zunächst selbst mit den Themen Menstruationszyklus und Zyklusbewusstsein auseinanderzusetzen. Ein besseres Verständnis erlangst du z.B. durch …
  • Selbstreflexion: Beschäftige dich mit deinen eigenen Vorurteilen und Ängsten im Zusammenhang mit der Menstruation, setze dich mit den Vor- und Nachteilen zyklusbewussten Arbeitens auseinander und sammle offene Fragen. Du kannst dich z.B. in den Beiträgen zu Glaubenssätzen und Vorurteilen rund um die Menstruation (Menstruationsshaming) oder zu Menstruationsbeschwerden hier in der Mediathek informieren.
  • Austausch mit Mitarbeitenden: Suche das Gespräch mit (menstruierenden) Mitarbeitenden in deinem Team, um ihre Erfahrungen und Bedürfnisse zu verstehen. Auf diese Weise kannst du dir wertvolles Feedback einholen. Frage deine Teammitglieder beispielsweise während eines Vieraugengesprächs, ob sie an einem Austausch über die eigenen Menstruationserfahrungen im Arbeitskontext interessiert sind. Erkennen sie bei sich z.B. Phasen mit viel Energie, Produktivität und Konzentration? Oder auch Tage, an denen sie sich lieber mit organisatorischen Aufgaben beschäftigen und wenige bzw. keine Meetings bevorzugen? Du kannst das Thema auch in einer ungezwungeneren Teambesprechung öffnen und deinen Teammitgliedern erklären, dass du für Erfahrungsberichte sehr dankbar wärst. So ist es den Mitarbeitenden freigestellt, sich schriftlich oder in einem Gespräch an dich zu wenden.
  • Austausch mit Expert:innen: Tausche dich mit Fachpersonen aus, die darauf spezialisiert sind, Zykluswissen in Unternehmen zu bringen und dort das Potenzial des Menstruationszyklus nutzbar zu machen. Besuche z.B. eine Schulung oder einen Einführungsworkshop bei einer Fachkraft für den Menstruationszyklus.
  • Austausch mit anderen Unternehmen: Lerne von anderen Unternehmen oder Abteilungen, die zyklusbewusstes Arbeiten bereits erfolgreich umsetzen. Stelle ihnen deine Fragen und bitte bei Bedarf um Unterstützung bei der Umsetzung in deinem Team. Der Softwarekonzern SAP macht sich z.B. für eine Enttabuisierung der Menstruation stark und bietet seinen Mitarbeitenden zyklusfreundliche Maßnahmen wie kostenlose Hygieneprodukte an.

Offene & sensible Kommunikation im Team ermöglichen

Nachdem du dich nun selbst mit dem Thema vertraut gemacht hast, ist es wichtig, eine offene Kommunikation in deinem Team zu ermöglichen. Als Führungskraft bist du die antreibende Person und kannst neuen Input in dein Team bringen – noch einfacher als Mitarbeitende innerhalb des Teams. Für die Umsetzung eines Konzepts wie dem zyklusbewussten Arbeiten ist es vor allem wichtig, dass du ein Umfeld für Austausch und gemeinsame Entwicklung schaffst. Denn in geschützten Räumen ermöglichst du eine offene sowie sensible Kommunikation mit und in deinem Team – lies dir in diesem Zusammenhang auch gerne die Beiträge zu psychologischer Sicherheit in der Mediathek durch.
Bei der Umsetzung dieser geschützten Räume hast du auch eine Vorbildfunktion inne: Lebe daher selbst vor, dass du deine Bedürfnisse offen kommunizierst und erleichtere es so deinen Mitarbeitenden, über ihre Empfindungen zu sprechen. Sprich z.B. ehrlich an, wenn deine Leistungsfähigkeit aufgrund von Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Energielosigkeit mal an einzelnen Tagen vermindert sein könnte. Kommuniziere, dass du dir deswegen öfters Pausen nehmen wirst oder dich krank meldest, wenn sich die Symptome nicht bessern. Wenn deine Mitarbeitenden sehen, dass du deine Gesundheit ernst nimmst und priorisierst, werden sie deinem Beispiel folgen.
Folgende Beispielsätze helfen dir bei der Umsetzung einer sensiblen Kommunikationsweise:
  • Der Menstruationszyklus ist ein natürlicher und wichtiger Teil des Lebens vieler Menschen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir im Team offen und sensibel darüber sprechen können, um die Stärken und Bedürfnisse aller Mitarbeitenden besser zu verstehen und zu unterstützen.“
  • Ich möchte ein Umfeld schaffen, in dem ihr euch alle wohlfühlt, über eure Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus zu sprechen und möchte euch deswegen ermutigen, offen und ehrlich über eure Erfahrungen mit eurem Zyklus zu sprechen.“
  • Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zyklusbedingte Beschwerden zu lindern und den Arbeitsalltag zu erleichtern. Ich möchte euch gerne über diese Optionen informieren.“
  • Wir werden gemeinsam Lösungen finden, um auf eure individuellen Stärken und Bedürfnisse einzugehen und es euch ermöglichen, eure Arbeit bestmöglich zu erledigen und gleichzeitig euer Wohlbefinden zu berücksichtigen.
  • Ich respektiere die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden, unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Zyklusphase. Diskriminierung oder abwertende Kommentare werden nicht toleriert.“
  • (Als Reaktion auf die offene Kommunikation einer menstruierenden Person im Team:) „Danke, dass du so offen über deine Situation sprichst. Das hilft uns allen, uns besser zu verstehen. Wir finden eine Lösung, die für dich funktioniert.“
Hinweis: Einige Menschen möchten aus verschiedenen Gründen nicht (ausgiebig) über ihren Menstruationszyklus sprechen. Respektiere diese Grenzen. Gehe außerdem auch auf die Bedürfnisse von Menschen in der Perimenopause ein, also in dem Zeitabschnitt der hormonellen Umstellung am Ende der fruchtbaren Lebensphase bis hin zum Ausbleiben der Menstruation (Menopause). Viele sind in dieser Phase von einschränkenden Symptomen betroffen und profitieren ebenfalls von einem zyklusfreundlichen und -inklusiven Umfeld, in dem ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden.

Zyklusbewusstsein am Arbeitsplatz umsetzen

Wenn du darüber nachdenkst, die Arbeitskultur in deinem Team oder Unternehmen mit Zyklusbewusstsein zu bereichern, stehen dir eine Vielzahl von Maßnahmen zur Auswahl, die auf die Bedürfnisse deines Unternehmens und jedes einzelnen Teammitglieds zugeschnitten sind. Die nachfolgenden bewährten Möglichkeiten geben dir eine Orientierung für die Umsetzung.
Beachte: Gehe bei der Umsetzung zyklusfreundlicher Maßnahmen schrittweise vor. Beziehe deine Mitarbeitenden in die Planung und Realisierung mit ein. Dein Team kann dir wertvolles Feedback geben, welche Maßnahmen sie sich wünschen und ihnen am meisten helfen würden.

Aufklärung im Team bzw. Unternehmen

Integriere das Thema Menstruation in euer betriebliches Gesundheitsmanagement, z.B. in bestehende Maßnahmen wie Yogakurse oder Gesundheitstage. Sensibilisiere außerdem andere Führungskräfte und Teams für die Auswirkungen des Zyklus auf die Arbeitswelt, beispielsweise in Form eines Workshops mit einer Zyklusexpertin oder einem Zyklusexperten. Diese Option ermöglicht es dir, dein gesamtes Team direkt einzubeziehen und von gemeinsamen Lernerfahrungen zu profitieren.

Zyklusgerechte Aufgabenplanung

Ermögliche die Priorisierung von Aufgaben und Projekten in Abhängigkeit von den jeweiligen Zyklusphasen. Fördere z.B. in der Follikelphase und in der Zeit um den Eisprung, in der die Energie und Motivation hoch sind, kreative und kollaborative Aufgaben. Priorisiere hingegen routinemäßige und weniger anspruchsvolle Aufgaben in der Lutealphase, in der die Konzentration und Leistungsfähigkeit abnehmen können. Besprich diese Anpassungen individuell mit jedem Teammitglied und erarbeitet gemeinsam eine Lösung, wie ihr die Stärken und Bedürfnisse berücksichtigen könnt.
Tipp: Bei Bedarf oder auf Wunsch können deine menstruierenden Mitarbeitenden ihre Zyklusphasen in Form eines Zykluskalenders mit dir als Führungskraft teilen. Alternativ oder ergänzend bieten sich regelmäßige Teambesprechungen an, in denen du die Bedürfnisse der Teammitglieder im Zusammenhang mit dem Zyklus besprechen kannst.

Flexiblere Arbeitszeiten bzw. Pausen

Rege in deinem Unternehmen das Gespräch über flexiblere Arbeitszeiten an, z.B. um die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen. Oder mache dich für eine Gleitzeitregelung bzw. Vertrauensarbeitszeit stark, bei der Mitarbeitende nach Bedarf z.B. früher oder später anfangen, Arbeitsstunden während der Menstruation kürzen und zu anderen Zeiten Überstunden machen können. Des Weiteren ist es hilfreich, wenn du …
  • deine Mitarbeitenden ermutigst, regelmäßig Pausen einzulegen und sich bei Bedarf kurz zurückzuziehen – vor allem wenn sich keine flexibleren Arbeitszeiten und -orte umsetzen lassen.
  • dein Team dafür sensibilisierst, sich bei starken Menstruationsbeschwerden krankzumelden und auszuruhen, statt sich zur Arbeit zu schleppen.
  • deinen Teammitgliedern die Möglichkeit anbietest, sich während der Arbeit öfters zu bewegen, z.B. indem du sie bestärkst, regelmäßig vom Arbeitsplatz aufzustehen, an die frische Luft zu gehen, Dehnübungen zu machen oder Besprechungen als Spaziergang durchzuführen.
Hinweis: In dieser Mediathek findest du eine Reihe von Bewegungsvideos und hilfreiche Tipps für eine gesunde Pausengestaltung.

Zyklussensible Arbeitsplatzgestaltung

Suche das Gespräch mit der Personalabteilung und mache dich dafür stark, dass Hygieneartikel wie Tampons und Binden im Bad zur Verfügung gestellt und die Toilettenkabinen mit Mülleimern ausgestattet werden. Vielleicht kann dein Unternehmen sogar eigene Waschbecken in den Kabinen installieren. Weitere Möglichkeiten bestehen darin, …
  • dich dafür einzusetzen, dass Ruhezonen am Arbeitsplatz eingerichtet werden, in denen sich Mitarbeitende für eine Pause zurückziehen können. Dadurch trägst du maßgeblich dazu bei, das Stresslevel deiner Teammitglieder und Kolleg:innen zu senken.
  • den Arbeitsplatz deiner Mitarbeitenden so ergonomisch wie möglich zu gestalten, z.B. mit entsprechenden Stühlen und ausreichend Licht.
  • Mitarbeitenden Hilfsmittel wie Wärmflaschen oder krampflösende Tees am Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Diese können bei Menstruationsbeschwerden Linderung verschaffen. Außerdem zeigst du mit diesem Angebot, dass du deine Mitarbeitenden wertschätzt.

In diesem Beitrag hast du verschiedene Maßnahmen kennengelernt, um die Potenziale des Zyklus in deinem Team und Unternehmen nutzbar zu machen. Hattest du beim Lesen einen Aha-Moment und das Gefühl, dass eine oder mehrere dieser Maßnahmen auch in deinem Unternehmen umsetzbar wären? Dann tausche dich doch direkt mal mit deinen Kolleg:innen und in deinem Team über die genannten Optionen aus. Wenn du dich noch weiter mit sensibler Kommunikation und dem Menstruationszyklus beschäftigen möchtest, schau dir gerne die entsprechenden Beiträge in der Mediathek an, z.B. zu erfolgreicher Kommunikation, gesunder Führung und Grenzen.
Solltest du weitere Unterstützung bei der Umsetzung oder im Umgang mit dem Thema benötigen, stehen dir die hier genannten Ansprechpersonen – auf Wunsch auch anonym – jederzeit zur Verfügung.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.