AGG: Ein praxisnaher Leitfaden für Führungskräfte

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts. Für dich als Führungskraft oder Personalverantwortliche:r bringt das AGG eine besondere Verantwortung mit sich: Du musst Diskriminierung im Arbeitsumfeld erkennen, vorbeugen und angemessen reagieren. In diesem Beitrag erfährst du anhand eines Leitfadens sowie zweier Beispiele aus der Praxis, wie du das AGG richtig anwendest.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das AGG wurde 2006 eingeführt, um Benachteiligungen aufgrund von …
  • rassistischen Motiven oder ethnischer Herkunft,
  • Geschlecht,
  • Religion oder Weltanschauung,
  • Behinderung,
  • Alter oder
  • sexueller Identität
zu verhindern (§1 AGG). Das bedeutet im Arbeitsumfeld, dass niemand aufgrund dieser Merkmale schlechter behandelt werden darf – sei es bei der Einstellung, Beförderung, Vergütung oder Entlassung.
Hinweis: In einem separaten Beitrag hier in der Mediathek kannst du dich weiterführend informieren, wenn du beispielsweise wissen möchtest, wann laut AGG ein Verstoß vorliegt oder welche Pflichten Arbeitgeber haben.
Nachdem du nun die grundlegenden Bestimmungen des AGG kennengelernt hast, ist es wichtig zu verstehen, wie du diese im Alltag als Führungskraft konkret umsetzen kannst. Um Diskriminierung effektiv zu verhindern und eine faire Arbeitsumgebung zu schaffen, ist ein systematisches Vorgehen entscheidend. Der folgende Leitfaden zeigt dir in fünf Schritten, wie du das AGG richtig anwendest und sicherstellst, dass dein Team in einer respektvollen und gleichberechtigten Atmosphäre arbeitet.
Beispiel A: Sam, ein 30-jähriger Maschinenführer, fühlt sich von seinen älteren Kolleg:innen im Team regelmäßig ausgeschlossen und bekommt keine verantwortungsvollen Aufgaben übertragen, weil er als „zu unerfahren“ gilt. Zudem wird er bei Pausen oft ignoriert.

Beispiel B: Lou, eine Marketing-Spezialistin in einem IT-Unternehmen, wird von einem männlichen Kollegen regelmäßig unterbrochen und bei Meetings nicht ernst genommen. Auffällig ist, dass dieses Verhalten nur ihr gegenüber auftritt, Lou die einzige Frau im Team ist und häufig abwertende, sarkastische Bemerkungen über ihre „Fähigkeit zum Multitasking“ zu hören bekommt.

1. Diskriminierung erkennen

Als Führungskraft ist es wichtig, diskriminierendes Verhalten im eigenen Team zu erkennen. Diskriminierung kann sich subtil oder offen zeigen, und es ist deine Aufgabe, aufmerksam auf solche Verhaltensweisen im Team zu achten.
Hinweis: Als Führungskraft trägst du eine besondere Verantwortung, jede Form von Diskriminierung ernst zu nehmen, diese neutral zu behandeln und selbst eine Vorbildfunktion einzunehmen. Es ist entscheidend, dass du selbst keine Vorurteile oder diskriminierenden Kommentare gegenüber Mitarbeitenden äußerst, da dies den gesamten Prozess beeinflussen kann. Solltest du eine persönliche Befangenheit spüren oder das Gefühl haben, nicht neutral handeln zu können, ist es wichtig, frühzeitig eine unbeteiligte Person hinzuzuziehen, um die Situation objektiv zu klären und ein faires Ergebnis für alle Beteiligten zu gewährleisten.
Diskriminierung kannst du beispielsweise an den folgenden Auffälligkeiten erkennen:
  • Auffällige Unterschiede in der Aufgabenverteilung: Diskriminierung äußert sich oft darin, dass bestimmte Mitarbeitende von verantwortungsvollen Aufgaben ausgeschlossen oder immer wieder mit weniger anspruchsvollen Tätigkeiten betraut werden.
  • Kommentare & Bemerkungen: Häufig sind es kleine, abwertende Kommentare, die auf Diskriminierung hindeuten, z. B. wenn Mitarbeitende aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft oder anderer Merkmale abgewertet oder verspottet werden.
  • Wiederholte Unterbrechungen oder Ignorieren in Meetings: Wenn bestimmte Mitarbeitende ständig unterbrochen oder ihre Beiträge nicht ernst genommen werden, kann dies ein Hinweis auf eine Diskriminierung sein.
  • Mitarbeitende äußern Unzufriedenheit oder Beschwerden: Manchmal melden sich betroffene Mitarbeitende direkt bei dir oder anderen Führungskräften. Beschwerden über Ungleichbehandlung, fehlende Aufstiegschancen oder respektloses Verhalten sollten immer ernst genommen und weiter untersucht werden.
  • Geringere Teilnahme an Teambesprechungen oder Rückzug: Wenn Mitarbeitende plötzlich weniger an Diskussionen teilnehmen oder sich aus dem Team zurückziehen, kann das ein Hinweis darauf sein, dass sie sich ungerecht behandelt oder unwohl in der Arbeitsumgebung fühlen.
Beispiel A: Der Ausschluss von verantwortungsvollen Aufgaben aufgrund von Sams Alter stellt eine Altersdiskriminierung dar und ist somit ein klarer Verstoß gegen das AGG.

Beispiel B: Bei der Abwertung von Lous Beiträgen und Kommentaren im Meeting liegt eine geschlechtsspezifische Benachteiligung vor und es handelt sich hierbei ebenfalls um einen Verstoß gegen das AGG.

2. Sofort handeln

Sobald du als Führungskraft von einem Diskriminierungsfall erfährst, ist schnelles Handeln wichtig. Direkte Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitenden und den Verursacher:innen helfen, die Situation aufzuklären und Spannungen zu lösen. In schwerwiegenden Fällen oder bei wiederholtem Fehlverhalten kann es ratsam sein, die Personalabteilung oder eine höhere Managementebene einzubeziehen.
Beispiel A: Setze dich separat mit Sam und seinem Team zusammen, um das Verhalten offen zu thematisieren. Mache klar, dass Diskriminierung aufgrund des Alters gegen die Werte des Unternehmens und das AGG verstößt. Weise darauf hin, dass alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrem Alter die gleichen Chancen haben sollten. Falls nötig, konsultiere die Personalabteilung, um eine neutrale Unterstützung bei der Lösungsfindung zu erhalten.

Beispiel B: Führe getrennte, vertrauliche Gespräche mit Lou und ihrem Kollegen. Es ist wichtig, zunächst eine neutrale Perspektive zu beiden Seiten zu bekommen. Mach im Gespräch mit dem Kollegen klar, dass sein Verhalten gegenüber Lou nicht akzeptabel ist und dass abwertende Bemerkungen sowie wiederholte Unterbrechungen nicht toleriert werden. Weise auf die Unternehmensrichtlinien hin, die Respekt und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz vorschreiben. Sollten sich diese Verhaltensweisen wiederholen, leite disziplinarische Maßnahmen ein, wie z. B. eine offizielle Abmahnung oder den Entzug von Teamverantwortung. Zusätzlich sollte das obere Management informiert werden, um den Vorfall auf höherer Ebene zu besprechen und gegebenenfalls Unterstützung bei weiteren Maßnahmen zu erhalten.

3. Vorfall dokumentieren

Halte alle Vorfälle schriftlich fest, um die Situation nachvollziehbar zu machen. Sollte es zu weiteren Beschwerden kommen, hilft dir eine genaue Dokumentation, die richtigen Schritte zu planen. Es ist empfehlenswert, folgende Informationen zu notieren:
  • Datum und Uhrzeit: Notiere genau, wann der Vorfall stattgefunden hat.
  • Beteiligte Personen: Erfasse alle, die an dem Vorfall beteiligt waren, sowohl die betroffene(n) als auch die verursachende(n) Person(en).
  • Beschreibung des Vorfalls: Schreibe detailliert auf, was passiert ist, einschließlich der Worte oder Handlungen, die diskriminierend waren. Stelle Fragen wie: „Was genau ist passiert?“, „War dies das erste Mal oder gab es ähnliche Vorfälle?“ und „Welche Auswirkungen hatte das Verhalten auf dich?“.
  • Reaktionen: Dokumentiere, wie die betroffene Person und die anderen Beteiligten auf den Vorfall reagiert haben.
  • Maßnahmen: Halte fest, welche Schritte du unternommen hast, um die Situation zu klären oder zu verbessern (z. B. Gespräche, Schulungen).
  • Ergebnisse & Nachverfolgung: Vermerke, ob sich die Situation nach deinen Maßnahmen verbessert hat und ob weitere Schritte notwendig sind.
Eine gründliche Dokumentation sorgt dafür, dass du einen klaren Überblick über den Fall hast und bei Bedarf angemessen reagieren kannst.
Beispiel A: Dokumentiere die Aussagen von Sam und seinen Kollegen sowie das Gespräch und die besprochenen Maßnahmen. Halte auch fest, welche Änderungen im Verhalten erwartet werden und ob weitere Schritte notwendig sind. Regelmäßige Nachgespräche oder Nachverfolgungen sollten ebenfalls protokolliert werden.

Beispiel B: Notiere die Details des Gesprächs mit Lou und dem Kollegen sowie die spezifischen Beispiele für abwertende Kommentare und Unterbrechungen. Halte fest, welche Maßnahmen zur Klärung des Vorfalls ergriffen wurden, z. B. das klärende Gespräch und die Erklärung der Konsequenzen bei weiteren Vorfällen. Beschreibe außerdem die nächsten Schritte, wie etwa die Einführung eines Verhaltenskodexes und die regelmäßige Überprüfung des Verhaltens im Team.

4. Präventivmaßnahmen ergreifen

Nach der Aufarbeitung eines Vorfalls ist es wichtig, Präventivmaßnahmen zu ergreifen, um zukünftige Diskriminierung zu verhindern. Setze hierbei auf Schulungen und Workshops, die das Bewusstsein für respektvolle Zusammenarbeit schärfen. Eine enge Zusammenarbeit mit der Personalabteilung oder dem oberen Management kann sinnvoll sein, um Schulungen zu organisieren und eine nachhaltige Veränderung zu bewirken.
Beispiel A: Organisiere eine Schulung für das gesamte Team, um das Bewusstsein für Altersdiskriminierung zu erhöhen. Die Schulung kann die Vorurteile gegenüber jüngeren Mitarbeitenden abbauen und eine offene Kommunikation fördern. Sprich mit der Personalabteilung über die Durchführung eines externen Workshops, der gezielt auf Altersdiskriminierung in der Produktion eingeht.

Beispiel B: Setze präventive Maßnahmen um, um zukünftige Vorfälle zu vermeiden. Führe einen klaren Verhaltenskodex ein, der Respekt, Gleichberechtigung und eine offene Kommunikation im Team vorschreibt. Der Verhaltenskodex sollte explizit festhalten, dass abwertende Kommentare und die systematische Benachteiligung einzelner Teammitglieder, wie etwa Unterbrechungen oder das Ignorieren von Beiträgen, nicht toleriert werden. Dieser Kodex muss klar kommuniziert und von allen Teammitgliedern unterzeichnet werden. Eine regelmäßige Überprüfung durch anonyme Feedbacks aus dem Team könnte ebenfalls helfen, eventuelle Verstöße frühzeitig zu erkennen und zu adressieren.

5. Diskriminierungsfreie Arbeitskultur schaffen

Als Führungskraft spielst du eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung einer Arbeitskultur, die auf Respekt und Gleichberechtigung basiert. Es ist wichtig, faire Chancen zu bieten und alle Mitarbeitenden nach ihren Fähigkeiten und Leistungen zu beurteilen – nicht nach Stereotypen oder Vorurteilen. Du kannst dies umsetzen, indem du für transparente Leistungsbewertungen sorgst, verantwortungsvolle Aufgaben gerecht verteilst und eine offene Kommunikation förderst. Zudem sollten Schulungen angeboten und dein eigenes Verhalten als Vorbild für Gleichberechtigung dienen.
Beispiel A: Weise Sam gezielt verantwortungsvolle Aufgaben zu, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Fähigkeiten zu beweisen und im Team sichtbar zu werden. Achte darauf, dass er die gleichen Chancen erhält wie seine älteren Kolleg:innen, und fördere eine Kultur, in der Leistung zählt und nicht das Alter. Falls notwendig, führe regelmäßige Feedback-Gespräche, um sicherzustellen, dass die Integration in das Team erfolgreich ist.

Beispiel B: Ermutige Lou, ihre Ideen und Vorschläge selbstbewusst einzubringen. Sorge dafür, dass sie in Meetings die gleiche Redezeit und Aufmerksamkeit erhält wie ihre männlichen Kollegen. Überlege, ob regelmäßige Teambesprechungen mit einer neutralen moderierenden Person helfen könnten, um die Gesprächsdynamik zu verbessern. Informiere das gesamte Team über den neuen Verhaltenskodex und die damit verbundenen Erwartungen an respektvollen Umgang und Gleichberechtigung. Stelle zudem sicher, dass Lou weiterhin die notwendige Unterstützung erhält, um selbstbewusst ihre Ideen einzubringen, und führe regelmäßig Rücksprache mit ihr, um sicherzustellen, dass sich die Teamdynamik nachhaltig verbessert hat.


In diesem Beitrag hast du erfahren, wie du als Führungskraft das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsalltag richtig anwendest, um Diskriminierung vorzubeugen und eine respektvolle, faire Arbeitskultur zu schaffen. Informiere dich gerne weiterführend hier in der Mediathek oder kontaktiere bei Bedarf die hinterlegten Ansprechpersonen, um weitere Unterstützung zu erhalten und sicherzustellen, dass dein Team in einem diskriminierungsfreien Umfeld arbeiten kann.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
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