Der Body-Mass-Index (BMI) kritisch beleuchtet

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Hast du dich auch schon gefragt, ob der Body-Mass-Index (BMI) wirklich ein guter Indikator für deine Gesundheit ist? Oder hast du dich schon oft über das Ergebnis deines BMI-Werts gewundert? In diesem Beitrag erfährst du, welche Vorteile der BMI bietet, aber auch, wo seine Grenzen liegen – und warum er zwar eine Orientierung bietet, aber nicht alles über deine Gesundheit aussagt.
Hinweis: In diesem Beitrag wir der Begriff „trans“ ohne Sternchen verwendet, um den Text möglichst barrierefrei und zugänglich zu gestalten, insbesondere für Menschen mit Sehbehinderung und Screenreader. Dies soll nicht die Vielfalt der Identitäten und Geschlechtszugehörigkeiten einschränken, sondern inkludiert alle Menschen, die sich als trans, nicht-binär oder in anderer Weise nicht-cisgender definieren. Wir respektieren und erkennen alle Identitäten an und möchten sicherstellen, dass der Text allen Menschen gerecht wird.

Was ist der BMI überhaupt?

Der Body-Mass-Index ist seit Jahrzehnten eine der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Methoden zur Einschätzung des Körpergewichts im Verhältnis zur Körpergröße. Dieser Wert ist besonders beliebt, weil er einfach zu berechnen und international anerkannt ist. Die Berechnung erfolgt nach folgender Formel: Gewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat. Nur eine Waage und ein Maßband sind nötig, um den Wert selbst zu berechnen, was ihn zu einer praktischen Messgröße für medizinische Zwecke macht.
Der BMI wird in vielen Ländern und in einer Vielzahl von Studien verwendet, um Menschen hinsichtlich ihres Risikos für gesundheitliche Probleme zu klassifizieren. So wird er beispielsweise in großen, länderübergreifenden Studien genutzt, um die Prävalenz (Häufigkeit) von Übergewicht und Adipositas zu analysieren sowie die Auswirkungen dieser Zustände auf die allgemeine Gesundheit zu untersuchen. Das ist besonders für die Forschung und öffentliche Gesundheit wichtig, da der BMI eine standardisierte Maßeinheit über Ländergrenzen hinweg darstellt.
Die Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI ist wie folgt:
  • Untergewicht: BMI unter 18,5
  • Normalgewicht: BMI zwischen 18,5 und 24,9
  • Übergewicht: BMI zwischen 25 und 29,9
  • Adipositas Grad 1: BMI zwischen 30 und 34,9
  • Adipositas Grad 2: BMI zwischen 35 und 39,9
  • Adipositas Grad 3: BMI ab 40
Tipp: Wenn du wissen möchtest, wie es um deinen BMI steht, dann nutze ganz einfach den BMI-Rechner der Deutschen Adipositas Gesellschaft.

Warum steht der BMI in der Kritik?

Obwohl der Body-Mass-Index weit verbreitet und oft als grober Anhaltspunkt für gesundheitliche Risiken genutzt wird, gibt es zahlreiche Kritikpunkte, die seine Aussagekraft in Frage stellen. Der BMI lässt wichtige Aspekte außer Acht, die zu einer fehlerhaften Einschätzung des Gesundheitszustands führen können. Zu den größten Schwächen des BMI gehören:
  • Keine Berücksichtigung von Geschlecht, Alter oder Herkunft: Der BMI berücksichtigt weder das Alter noch das Geschlecht, was die Ergebnisse verfälschen kann. Ältere Menschen verlieren oft Muskelmasse, was zu einem normalen BMI führen kann, obwohl der Körperfettanteil bereits ungesund hoch ist. Auch das Geschlecht spielt eine wichtige Rolle: Frauen haben im Durchschnitt einen höheren Körperfettanteil als Männer. Dies führt dazu, dass der BMI bei Frauen oft tendenziell höher ausfällt – selbst wenn ihr Körperfettanteil gesundheitlich unbedenklich ist. Zudem berücksichtigt der BMI keine ethnischen Unterschiede, die Einfluss auf Körperzusammensetzung und Gesundheitsrisiken haben können.
  • Keine Unterscheidung zwischen Muskel- & Fettmasse: Der BMI misst nur das Gewicht im Verhältnis zur Körpergröße und geht dabei davon aus, dass der Körper ausschließlich aus Fett besteht. Diese Annahme ist jedoch problematisch, besonders bei Menschen mit viel Muskelmasse. Ein Beispiel hierfür ist ein muskulöser Bodybuilder wie Arnold Schwarzenegger: Laut BMI wäre er während seiner Wettkampfzeit als adipös eingestuft worden – obwohl er körperlich in hervorragender Verfassung war. Ein hoher BMI kann also bei Menschen mit viel Muskelmasse auftreten, obwohl sie tatsächlich gesund sind.
  • Kein Aussage über die Verteilung von Körperfett: Der BMI misst nur die Gesamtmasse des Körpers und berücksichtigt nicht, wie sich das Fett im Körper verteilt. Wo sich Fett ansammelt, ist jedoch entscheidend für die Gesundheit. Besonders Bauchfett (Viszeralfett) stellt ein erhebliches Risiko für Erkrankungen wie Diabetes und Herzerkrankungen dar. Zwei Menschen mit dem gleichen BMI können völlig unterschiedliche gesundheitliche Risiken haben, je nachdem, wo sich das Fett verteilt. Fettansammlungen im Bauchraum sind viel gefährlicher als Fett an den Hüften oder Oberschenkeln – doch diese Unterscheidung trifft der BMI nicht.
  • Vernachlässigung des Lebensstils: Der BMI sagt nichts darüber aus, wie gesund der Lebensstil einer Person ist. Wichtige Faktoren wie Ernährung, Bewegung und Stresslevel bleiben unbeachtet, obwohl sie einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit haben. Ein Mensch mit hohem BMI kann trotzdem gesund leben, während jemand mit niedrigem BMI aufgrund von ungesunden Gewohnheiten gesundheitliche Probleme entwickeln könnte. Der BMI allein gibt keinen Aufschluss darüber, ob jemand regelmäßig Sport treibt oder sich ausgewogen ernährt.
Hinweis: Der BMI berücksichtigt in seiner Standardform keine speziellen Bedürfnisse oder Unterschiede der LGBTQIA+-Community. Besonders für trans und nicht-binäre Personen, die hormonelle Behandlungen oder Geschlechtsanpassungen durchlaufen, spiegelt der BMI oft nicht die tatsächlichen körperlichen Veränderungen wider. Zum Beispiel kann bei trans* Männern, die an Muskelmasse zunehmen, der BMI steigen, obwohl sie sich körperlich gesünder fühlen, während trans Frauen oder nicht-binäre Personen, die hormonelle Anpassungen vornehmen, Veränderungen im Fettanteil erfahren, die der BMI nur unzureichend erfasst. Der BMI basiert zudem auf traditionellen Körpernormen, die die Vielfalt der Körperformen innerhalb der queeren Gemeinschaft nicht widerspiegeln. Das führt dazu, dass der BMI in vielen Fällen ungenau und unangemessen sein kann.
All diese Kritikpunkte haben dazu geführt, dass der BMI zunehmend hinterfragt wird, insbesondere wenn es darum geht, den individuellen Gesundheitszustand präzise zu erfassen. Besonders problematisch ist auch seine Rolle in der medizinischen Behandlung. In vielen Fällen, wie etwa bei der Kostenübernahme für Ernährungstherapien oder chirurgischen Eingriffen, ist der BMI der entscheidende Faktor. Dies führt zu einer problematischen Praxis, bei der Menschen aufgrund eines zu hohen oder zu niedrigen BMIs bestimmte Behandlungen erhalten oder verweigert bekommen, obwohl ihre gesundheitliche Situation durch andere Faktoren bestimmt wird.
Beispiel: Es kann passieren, dass eine Person mit einem normalen BMI aber einem hohen Bauchfettanteil nicht die nötige Aufmerksamkeit erhält, obwohl sie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes hat. Gleichzeitig könnte jemand mit einem hohen BMI aufgrund von Muskelmasse oder guter Fitness fälschlicherweise als übergewichtig oder adipös eingestuft werden, obwohl die Person in Wirklichkeit gesundheitlich topfit ist.
Die American Medical Association (AMA) betonte 2023, dass der BMI auf individueller Ebene weniger aussagekräftig ist, obwohl er in der allgemeinen Bevölkerung weiterhin als Standardmaß gilt. Die AMA fordert eine individuellere Herangehensweise bei der Diagnose und Behandlung von Übergewicht und Adipositas. Der BMI allein sollte daher nicht als alleiniges Kriterium für die Beurteilung der Gesundheit verwendet werden. Um die individuelle Gesundheit besser zu erfassen, ist es wichtig, andere Faktoren wie die Körperfettverteilung, den Lebensstil und die Fitness zu berücksichtigen.

Welche alternativen Messmethoden gibt es?

Die Diskussion über den BMI zeigt, wie wichtig es ist, individuelle Gesundheitsfaktoren in die Diagnostik einzubeziehen, anstatt sich nur auf einen einzigen Wert zu stützen. Um ein vollständigeres Bild der Gesundheit zu erhalten, rücken immer mehr alternative Messmethoden in den Vordergrund, die gezielt auf die Körperfettverteilung und den Lebensstil eingehen. Zwei solcher Methoden, die zunehmend an Bedeutung gewinnen, sind der Waist-to-Hip-Ratio (WHR) und der Waist-to-Height-Ratio (WHtR):
  • Der WHR misst das Verhältnis von Taille zu Hüfte und zeigt auf, wie sich das Fett im Bauchbereich verteilt. Ein hoher WHR-Wert, besonders bei Frauen, weist auf ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes hin. Studien haben außerdem gezeigt, dass die WHR das Sterberisiko (Mortalitätsrisiko) besser vorhersagen kann als der BMI.
  • Der WHtR ist ein weiterer wertvoller Indikator, der den Taillenumfang ins Verhältnis zur Körpergröße setzt. Diese Methode berücksichtigt insbesondere Viszeralfett, das sich vorwiegend im Bauchraum ansammelt und als besonders gesundheitsschädlich gilt. Der WHtR wird zunehmend als besserer Indikator für das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen angesehen, da er eine genauere Einschätzung des Fettgehalts im Bauchbereich ermöglicht.
Es gibt jedoch auch noch weitere Messmethoden, die die Gesundheit und Körperzusammensetzung noch detaillierter abbilden. Dazu gehören unter anderem Messungen des Körperfetts und Muskelanteils, welche durch Methoden wie Bioimpedanzanalyse (BIA) oder DEXA-Scans durchgeführt werden können. Diese Verfahren liefern genauere Daten über den Anteil von Fett- und Muskelmasse im Körper und können wichtige Informationen über die Körperkomposition bieten, die der BMI allein nicht berücksichtigt. Diese Messmethoden sind besonders hilfreich, um Fortschritte bei der Körperumgestaltung und der Muskelentwicklung zu verfolgen.
Trotz dieser Alternativen bleibt der BMI in vielen Ländern nach wie vor das Standardmaß für die Diagnose von Adipositas. Experten wie Prof. Dr. Jens Aberle, Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft, betonen jedoch, dass es keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage für die Einführung eines anderen Werts als des BMI gibt. Auch wenn der BMI in vielen Bereichen des Gesundheitswesens tief verankert ist und einen ersten groben Überblick über das Körpergewicht bietet, reicht er als Alleingrundlage für gesundheitliche Entscheidungen nicht aus. Es bleibt abzuwarten, ob der BMI langfristig weiterhin die zentrale Rolle in der Adipositas-Diagnose spielen wird oder ob alternative Methoden bald eine größere Bedeutung erhalten.

In diesem Beitrag hast du erfahren, dass der BMI nur ein grober Anhaltspunkt für deine Gesundheit ist und wichtige Faktoren wie Körperfettverteilung, Lebensstil und soziale Aspekte außer Acht lässt. Besonders in der LGBTQIA+-Community zeigt sich, dass der BMI oft nicht die individuellen körperlichen Veränderungen widerspiegelt. Diese Kritik verdeutlicht, wie wichtig es ist, inklusivere und individuellere Methoden zur Gesundheitsbewertung zu entwickeln. Nutze den BMI daher nur als Orientierung und ziehe zusätzliche Messgrößen wie Bauchumfang und Körperfettanteil für eine umfassendere Bewertung deiner Gesundheit hinzu. Setze auf eine ganzheitliche Betrachtung – regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und ein besseres Verständnis deiner Körperzusammensetzung sind entscheidend. Informiere dich zu diesen Themen gerne weiterführend hier in der Mediathek.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.
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